Die Rückkehr der Seeadler

Ihn träge zu nennen, wäre wohl vermessen. Schließlich handelt es sich um den Herrscher der Lüfte, eine Art Blaublüter, einen Menschenschwarm:

Der Seeadler ist zurückgekehrt in sein luftiges Reich. 

Überraschenderweise ist er ein Opportunist, einer der aus allem das Beste macht, ohne sich mehr anzustrengen als nötig: Deutschlands fauler König. Noch vor wenigen Jahrzehnten stand er vor dem Aus, heute gibt es mehr Brutpaare denn je. 


Die Naturfotografen Willi Rolfes und Jürgen Reich haben den größten deutschen Adler jahrelang beobachtet und ihn ebenso spektakulär wie intim porträtiert. 

Der Journalist Tobias Böckermann zeichnet das Leben des großen Greifs in Reportagen und Interviews nach und berichtet, wie die rasante Rückkehr gelang.

 ISBN-10 :  3837850285

Leseprobe  (Text Tobias Böckermann)

Mythos Adler

Was aber macht den Seeadler denn nun zum Faszinosum für den Menschen? Warum gilt er als eine der „sexy species“, also als eine jener Tierarten, die wie Pandabär, Wal oder Seehund so attraktiv sind, dass sich stets genügend Engagierte für ihren Schutz finden?

Seeadler leben an der Spitze der Nahrungskette und haben keinen Fressfeind zu fürchten. Der Adler ist aus Sicht des Menschen ein Jäger der Spitzenklasse. Sein starrer Blick, seine Größe, die mächtigen Fänge, der Schnabel: alles ist groß am Seeadler und machte ihn einst zum König der Lüfte und zum Vogel der Könige. Das Wort Adler hat sich aus der mittelalterlichen Bezeichnung „Edel-Aar“ entwickelt, was so viel wie „edler Vogel“ heißt. Schon die Bibel beschreibt den Adler als heiliges Symbol für Weisheit, die alten Griechen setzten ihn dem Gott Zeus zur Seite, die Germanen brachten ihn mit Odin in Verbindung. Er saß dabei auf dem obersten Zweig des germanischen Weltenbaumes und wachte als „viel wissender Adler“ und Schutzherr über die Welt der Menschen. Er war Symbol für Unsterblichkeit und Mut, Träger der menschlichen Seele nach dem Tod, Spender von Licht, Fruchtbarkeit und vor allem Macht. Und noch wichtiger: Den Adler hält keine Grenze, er scheint frei wie der Wind, unerreichbar frei.