Naturschatz Peene

Mecklenburg-Vorpommern ist ein Paradies für jene, die sich mit eigener Muskelkraft im Boot fortbewegen. Und zum Zentrum dieses Paradieses hat sich die Peene entwickelt. Jener gut 120 Kilometer lange, weitgehend unverbaute Fluss, der anfangs aus mehreren Wasserläufen besteht, die dann vereinigt gen Ostsee ziehen.

Jürgen Reich, nicht nur bekannter Naturfotograf, sondern auch viel gelesener Autor spannender Bücher über Moore, Adler, Kraniche und Nationalparks, ist mit seinem Kanadier die Peene entlanggepaddelt. Immer schauend, was sich im und am Fluss tut und was hinter seinen Ufern entdeckt werden kann.

Seltene Vögel, fleißige Biber, gut getarnte Schlangen, farbenfrohe Insekten, aufmerksame Rehe, prächtige Blumen, markante Bäume – Jürgen Reich ist ihnen nicht nur begegnet. Er hat sie auch mit seiner Kamera festgehalten. In traumhaft schönen, so bisher kaum gesehenen Bildern.

 ISBN-10 : 3356022385 

Leseprobe

Bibertaufe

Unserer Aufmerksamkeit entgeht nichts – weder die Silbermöwe, die zielstrebig und grimmig vorübereilt, als müsse sie schnell zum Dienst, noch der Kormoran, der nach erfolgreicher Nachtjagd satt auf einem Ast seine Flügel trocknet. Dann endlich: im Gebüsch raspelt es – Geräusche, die nur ein Biber verursachen kann. Es ist in der morgendlichen Stille deutlich und weithin zu hören und so dirigieren wir das Boot ganz langsam in seine Richtung. Nach wenigen Augenblicken können wir dann in einem Biberwechsel unter Gestrüpp, beidseitig von schwarzen Torfwänden eingefasst, einen pelzigen braunen Klumpen ausmachen. Beim Näherkommen muss der Biber uns mit seinen kurzsichtigen Augen schemenhaft bemerkt haben: Er hält inne, seine Nase kommt hoch und versucht Wind zu bekommen, was dank Gegenwind nicht gelingen kann. Jetzt kommt er wenige Schritte hervor, und taucht, ohne dass wir ihn richtig sehen können, in seinem Kanal ab.

Glücklicherweise verrät uns die aufsteigende Luftblasenspur unter dem Boot hindurch seinen verborgenen Unterwasserweg. Zwanzig Meter seitlich, fast Fluss mittig, taucht er auf, verharrt still auf dem Wasser liegend. Ein einziger lautloser Ruderschlag dreht den Kanadier, bis sein Bug auf das Tier zuhält. Zu unserer Überraschung steuert nun auch der Biber direkt auf uns zu! Der Abstand wird kleiner und kleiner bis ich, hinten im Heck sitzend, den flachen braunen Kopf mit den runden, schwarzen Knopfaugen nicht mehr sehen kann. Nur meine Frau hat noch freie Sicht auf das, was sich vor unserem Bug tut. Jeden Moment müsste der Biber ganz nah links oder rechts seitlich vom Boot auftauchen oder wieder unter Wasser verschwinden. Doch da klatscht es urplötzlich laut, und eine Fontäne Wasser schießt meiner Frau ins Gesicht. Weg ist der Biber!

Unsere Anspannung schlägt ebenso urplötzlich in lautes Gelächter um. Das war eine vollendete Peene-Bibertaufe, weit mehr als ich versprochen hatte und womit aus solcher Nähe auch nicht zu rechnen war! Meine Frau schwört heute noch, dass der freche Nager, eine Sekunde, bevor er mit seiner Kelle warnend auf das Wasser klatschte, ein schadenfrohes Funkeln in den Augen hatte.